Wenn Sie ein Haus aus den 1950er bis 1990er Jahren besitzen, könnte in Ihren Wänden, Dächern oder Bodenbelägen ein unsichtbarer Feind lauern: Asbest. Es ist kein Stoff, den man sieht oder riecht. Kein Knacken, kein Geruch - doch jede Faser, die in die Luft gelangt, kann Jahrzehnte später Krebs auslösen. Und trotz des Verbots seit 1993 sind noch über 35 Millionen Tonnen Asbest in deutschen Gebäuden verbaut. Die gute Nachricht: Sie können etwas tun. Die schlechte: Wer es falsch macht, gefährdet sich und seine Familie.
Warum Asbest so gefährlich ist - und warum es noch immer eine Bedrohung bleibt
Asbest ist kein gewöhnlicher Baustoff. Es ist ein Mineral, das sich wie Fasern verhält - so dünn, dass 100 davon auf einen menschlichen Haarquerschnitt passen. Bis 1993 wurde es in Putzen, Dachplatten, Bodenklebern, Dämmstoffen und sogar in Kaminen verwendet, weil es feuerfest, billig und langlebig war. Doch ab dem Moment, wo es beschädigt wird - durch Bohren, Schleifen, Renovieren oder sogar nur durch starke Erschütterungen - lösen sich diese Fasern ab. Sie schweben unerkannt in der Luft. Und wenn Sie sie einatmen, bleiben sie in Ihren Lungen. Für immer.
Die Krankheiten, die daraus entstehen, kommen nicht nach einem Jahr. Sie brauchen 20 bis 30 Jahre, bis sie sich zeigen. Asbestose - eine Verhärtung der Lunge. Lungenkrebs. Und Pleuramesotheliom - ein aggressiver Brustfellkrebs, der fast ausschließlich durch Asbest verursacht wird. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie hat nachgewiesen, dass Menschen mit beruflicher Asbestexposition ein 5.300-fach höheres Risiko haben, an diesem Krebs zu erkranken. Und auch im Haushalt ist die Gefahr real: 13 Prozent aller asbestbedingten Todesfälle in Deutschland gehen auf häusliche Exposition zurück.
Was viele nicht wissen: Bereits eine einzige Faser kann theoretisch eine Krebserkrankung auslösen. Es gibt keine sichere Dosis. Die Bundesinstitute für Risikobewertung und Arbeitsschutz betonen: Asbest ist der gefährlichste Stoff, den man in alten Häusern finden kann - und er ist noch immer überall.
Wo genau findet man Asbest im Haus?
Asbest ist nicht nur in Dächern. Es steckt in Stellen, die man nie vermutet. Hier sind die häufigsten Orte in Gebäuden, die vor 1996 gebaut wurden:
- Asbestzementplatten an Dächern und Fassaden (oft grau, wellenförmig)
- Asbesthaltige Putze und Spachtelmassen an Wänden und Decken
- Fliesenkleber und Bodenbelagskleber (besonders in Bädern und Küchen)
- Dämmstoffe in Heizungs- und Lüftungsanlagen
- Asbesthaltige Dichtungen bei Heizkörpern und Rohrleitungen
- Asbest in Kaminen, Ofenverkleidungen oder Abgasrohren
- Alte Wand- und Deckenpaneele mit Textur („Popcorn-Decken“)
Die größte Gefahr liegt nicht in fest gebundenem Asbestzement - der ist erst gefährlich, wenn man ihn bohrt oder zerschlägt. Viel schlimmer ist schwach gebundenes Asbest: Putze, Spachtelmassen oder Dämmstoffe, die schon durch leichte Berührung oder Luftzug Fasern freisetzen können. Diese Materialien wurden schon 1979 verboten, aber viele wurden noch bis 1993 verbaut. Und sie sind heute noch in Hunderttausenden Wohnungen.
Was sagt das Gesetz? Neue Regeln ab Dezember 2024
Seit Dezember 2024 gelten strengere Regeln für alle, die in Häusern arbeiten, die vor 1996 errichtet wurden. Die neue Gefahrstoffverordnung hat drei zentrale Pflichten eingeführt:
- Asbesterkundung vor jeder Renovierung: Bevor Sie bohren, schleifen oder abreißen, muss geklärt werden, ob Asbest vorhanden ist. Das ist keine Empfehlung - es ist Gesetz.
- Ampel-Modell für Risikobewertung: Ein Fachmann nimmt Proben und bewertet das Risiko mit Rot, Gelb oder Grün. Rot = hohe Gefahr, sofortige Sanierung nötig. Gelb = moderat, Schutzmaßnahmen erforderlich. Grün = sicher, keine Maßnahme nötig - aber nur, wenn die Proben das belegen.
- Informationspflicht des Hausbesitzers: Sie müssen dem ausführenden Unternehmen schriftlich oder per E-Mail das Baujahr Ihres Hauses mitteilen. Bei Bauten zwischen 1993 und 1996 müssen Sie sogar das genaue Datum des Baubeginns angeben. Wer das nicht tut, macht sich strafbar.
Das Bauamt kann Ihnen das Baujahr schnell mitteilen - das kostet nichts. Und es ist der einfachste Schutz, den Sie haben. Viele Hausbesitzer denken: „Mein Haus ist doch in Ordnung.“ Doch wenn Sie nicht wissen, was drin ist, riskieren Sie alles.
Wie teuer ist eine Asbestsanierung?
Die Kosten variieren stark - je nach Material, Zugänglichkeit und Sanierungsmethode. Hier sind realistische Preise für 2025:
| Material | Entfernung (€/m²) | Ummantelung (€/m²) |
|---|---|---|
| Asbestzementdach | 80-150 | 30-60 |
| Asbesthaltige Fassade | 120-200 | 50-80 |
| Asbestputz oder Spachtel | 100-180 | 40-70 |
| Fliesenkleber (Boden) | 90-160 | 35-65 |
Die Ummantelung - also das Einbetten des Asbests unter einer festen Schicht - ist oft bis zu 70 Prozent günstiger als die vollständige Entfernung. Sie ist auch sicher, wenn sie fachgerecht erfolgt. Viele Bauunternehmen bieten heute beide Varianten an. Die Entscheidung hängt von der Lage, dem Zustand und Ihrem langfristigen Plan ab.
Und hier ist die beste Nachricht: Die KfW-Bank fördert Asbestsanierungen mit bis zu 30 Prozent der Kosten. Das gilt für Einfamilienhäuser und Mehrfamilienhäuser. Sie müssen nur einen Antrag stellen - und die Sanierung von einem zertifizierten Fachbetrieb durchführen lassen.
Warum Sie niemals selbst an Asbest arbeiten dürfen
Einige Hausbesitzer versuchen, Asbest selbst zu entfernen - weil sie denken, sie können sparen. Das ist lebensgefährlich. Die Deutsche Asbest-Information e.V. hat 2022 allein in Nordrhein-Westfalen 247 Fälle dokumentiert, in denen Amateure Asbest unsachgemäß entfernt haben. In einem Fall stieg die Asbestkonzentration in der Wohnung nach einem selbstgemachten Bohrversuch um das 500-fache.
Was passiert, wenn Sie selbst loslegen?
- Sie verteilen Fasern durch Staub - auch in Räume, die vorher sauber waren.
- Sie tragen Fasern auf Kleidung, Haaren und Schuhen nach Hause - und gefährden Ihre Familie.
- Sie verletzen die Gefahrstoffverordnung - und können mit Geldstrafen bis zu 50.000 Euro belegt werden.
- Sie machen Ihr Haus unverkäuflich - jeder Käufer wird eine Asbestbescheinigung verlangen.
Professionelle Unternehmen arbeiten mit speziellen Absauggeräten, verschlossenen Kammern und Schutzanzügen. Sie entsorgen den Abfall als Sondermüll - nur in genehmigten Deponien. Und sie messen die Luft nach der Sanierung: Maximal 2.000 Fasern pro Kubikmeter Luft sind erlaubt. Alles darüber ist gefährlich.
Was Sie jetzt tun müssen - Schritt für Schritt
Wenn Sie ein Haus aus der Zeit vor 1996 besitzen, ist es Zeit zu handeln. Hier ist Ihr konkreter Fahrplan:
- Prüfen Sie das Baujahr. Fragt beim Bauamt nach - kostenlos und schnell.
- Planen Sie Renovierungen. Wenn Sie in den nächsten zwei Jahren renovieren wollen, lassen Sie eine Asbesterkundung machen. Das dauert 1-2 Tage.
- Wählen Sie einen zertifizierten Fachbetrieb. Prüfen Sie die Zertifikate der Firma - sie müssen nach DGUV und BAG registriert sein.
- Beantragen Sie KfW-Förderung. Die Förderung ist an die Sanierungsart gebunden - fragen Sie den Betrieb, ob er den Antrag mit Ihnen ausfüllt.
- Informieren Sie Ihre Mieter oder Familienmitglieder. Auch wenn Sie nicht renovieren, wissen Sie jetzt: Die Fasern sind da. Sie können sie nicht sehen - aber Sie können sie verhindern.
Die Deutsche Umwelthilfe sagt: 63 Prozent der Hausbesitzer wissen nicht, wie gefährlich Asbest ist. Aber 92 Prozent der Altbauten enthalten es. Sie gehören nicht zu den Unwissenden. Sie wissen es jetzt.
Was passiert, wenn Sie nichts tun?
Asbest verschwindet nicht von allein. Es wird nur gefährlicher. Mit jedem Jahr, mit jeder Renovierung, mit jedem Bohrloch, das Sie machen, steigt das Risiko. Und die Krankheiten kommen nicht plötzlich - sie kommen, wenn es zu spät ist.
Die Deutsche Lungenstiftung rechnet vor: Die Behandlungskosten für eine asbestbedingte Erkrankung betragen durchschnittlich 120.000 Euro pro Patient. Die Sanierung Ihres Hauses kostet maximal 10.000 Euro - und das mit Förderung sogar nur 7.000. Wer spart, spart am falschen Ende.
Und es gibt noch eine andere Wahrheit: Asbest ist nicht nur ein Gesundheitsproblem. Es ist ein Immobilienproblem. Ein Haus mit unerkanntem Asbest ist schwer zu verkaufen. Käufer verlangen Nachweise. Banken verweigern Kredite. Versicherungen zahlen bei Schäden nicht. Sie haben ein Haus - aber nicht die Kontrolle darüber.
Die Bundesregierung plant bis 2030 ein digitales Asbestkataster. Dann wird jeder, der ein Haus kauft, sehen können, ob es Asbest enthält. Bis dahin liegt die Verantwortung bei Ihnen. Nicht beim Staat. Nicht beim Bauamt. Bei Ihnen.
Kann ich Asbest einfach überstreichen oder verkleiden?
Ja, aber nur, wenn es fachgerecht erfolgt. Das nennt man Ummantelung oder Einkapselung. Dazu wird eine spezielle, dichte Beschichtung aufgetragen, die die Fasern festhält. Diese Methode ist sicher, wenn sie von einem zertifizierten Fachbetrieb durchgeführt wird. Sie ist auch günstiger als die vollständige Entfernung. Aber: Sie ist keine Dauerlösung, wenn das Material stark beschädigt ist. In solchen Fällen ist die Entfernung die einzige sichere Option.
Ist Asbest in neuen Häusern noch erlaubt?
Nein. In Deutschland ist Asbest seit dem 31. Oktober 1993 vollständig verboten. In der EU gilt seit 2005 ein umfassendes Verbot. Alle Gebäude, die nach diesem Datum errichtet wurden, dürfen keine asbesthaltigen Materialien enthalten. Wenn Sie ein Haus nach 1996 gekauft haben, besteht in der Regel keine Gefahr - es sei denn, es wurden nachträgliche Renovierungen mit altem Material durchgeführt.
Wie lange dauert eine Asbestsanierung?
Bei einem Einfamilienhaus dauert die Sanierung im Durchschnitt 10 bis 14 Tage. Dazu gehören die Vorbereitung, die Entfernung oder Ummantelung, die Reinigung und die Luftmessung. Die Dauer hängt von der Größe, dem Materialtyp und der Zugänglichkeit ab. Ein Dach kann schneller saniert werden als ein ganzer Boden mit verklebten Fliesen. Wichtig: Die Arbeiten dürfen nicht eilig durchgeführt werden - jede Eile erhöht das Risiko.
Was passiert mit dem abgetragenen Asbest?
Asbest ist Sondermüll und darf nicht auf die normale Deponie. Er wird in dichten, speziellen Behältern verpackt, mit Kennzeichnung versehen und nur zu genehmigten Deponien transportiert. Die Entsorgung erfolgt unter strengsten Auflagen - oft mit Begleitpapieren, die den gesamten Transportweg dokumentieren. Nur zertifizierte Unternehmen dürfen Asbest entsorgen. Jeder Haushalt muss dafür zahlen - aber das ist Teil der Verantwortung.
Kann ich als Mieter etwas tun, wenn ich Asbest im Mietobjekt vermute?
Ja. Als Mieter haben Sie das Recht, vom Vermieter eine Asbesterkundung zu verlangen, wenn Sie Anhaltspunkte haben - etwa durch Renovierungsarbeiten oder sichtbare Schäden an Wänden. Der Vermieter ist verpflichtet, die Gefährdung zu prüfen und gegebenenfalls zu sanieren. Wenn er nicht handelt, können Sie die Verbraucherzentrale kontaktieren oder rechtliche Schritte einleiten. Asbest ist kein „normales“ Renovierungsproblem - es ist ein Gesundheitsrisiko, das der Vermieter tragen muss.