Was ist der Unterschied zwischen Kalkputz und Zementputz?
Beide Putzarten sehen auf den ersten Blick ähnlich aus - glatt, weiß, an der Wand. Aber hinter der Oberfläche stecken zwei völlig unterschiedliche Materialien mit gegensätzlichen Stärken und Schwächen. Kalkputz ist ein traditioneller, atmungsaktiver Putz, der seit Jahrhunderten in Altbauten verwendet wird. Er besteht aus Kalkhydrat und Sand und arbeitet wie eine natürliche Lunge: er saugt Feuchtigkeit auf, wenn die Luft feucht ist, und gibt sie wieder ab, wenn es trockener wird. Zementputz hingegen ist ein moderner, harter und dichter Putz, der vor allem für seine Festigkeit und Widerstandsfähigkeit geschätzt wird. Er hält Feuchtigkeit ab - und das ist genau das Problem, wenn er am falschen Ort eingesetzt wird.
Warum Kalkputz das Raumklima verbessert
Stellen Sie sich vor, Sie kommen nach einem langen Tag nach Hause. Die Luft fühlt sich schwer an, die Wände sind kalt, und in der Ecke des Schlafzimmers bildet sich wieder Schimmel. Das ist kein Zufall - oft liegt es am Putz. Kalkputz bindet Feuchtigkeit aus der Luft, wenn die Luftfeuchtigkeit über 60 % steigt. Bei niedrigerer Luftfeuchtigkeit gibt er sie wieder ab. Diese Fähigkeit nennt man Feuchtigkeitspufferung. Studien zeigen, dass Kalkputz bis zu 30 % mehr Feuchtigkeit regulieren kann als Kalkzementputz und bis zu 60 % mehr als reiner Zementputz. Das bedeutet: weniger Kondenswasser an den Wänden, weniger Schimmel, weniger Müdigkeit.
Die Diffusionswiderstandszahl μ von Kalkputz liegt bei 5-10. Das ist sehr niedrig - was bedeutet, dass Wasserdampf ungehindert durch die Wand ziehen kann. Zementputz hingegen hat einen μ-Wert von 50-100. Er blockiert den Dampf. In einem Wohnzimmer mit viel Leben - Kochen, Duschen, Atmen - ist das ein Problem. Die Feuchtigkeit bleibt hängen. Und wo Feuchtigkeit bleibt, wächst Schimmel. Kalkputz hemmt Schimmel zu 95 % bei Luftfeuchtigkeiten bis 80 %. Zementputz beginnt ab 70 % bereits Probleme zu zeigen. Wer allergisch ist, wer Kinder hat, wer im Winter oft lüftet - Kalkputz macht hier den Unterschied.
Wann Zementputz die bessere Wahl ist
Kalkputz ist sanft - aber nicht robust. Seine Druckfestigkeit liegt bei nur 0,5-1,0 N/mm². Zementputz dagegen erreicht 10-25 N/mm². Das ist etwa 20-mal fester. Wenn Sie eine Wand in einer Einfahrt verputzen, eine Außentreppe oder eine Dusche, brauchen Sie Härte. Zementputz hält mechanischen Belastungen stand - Stühle, Tische, Fußabtreter, Reinigungsbürsten. Er übersteht 50 Frost-Tau-Wechsel ohne Risse. Kalkputz bricht schon nach 15-20 Zyklen. In einem Keller, wo Feuchtigkeit von außen kommt, ist Zementputz die einzige vernünftige Wahl. Er bildet eine dichte Schutzschicht, die das Eindringen von Grundwasser verhindert.
95 % aller Duschen werden heute mit Zementputz verputzt. Warum? Weil er wasserdicht ist. Kalkputz saugt Wasser auf - und wenn er nass bleibt, löst er sich auf. Ein Nutzer auf haus.de berichtet: „Hab in der Dusche Kalkputz verwendet - nach 6 Monaten komplett aufgeweicht.“ Kein Wunder. Zementputz ist der einzige Putz, der in Schwimmbädern, Waschküchen oder Außenwänden dauerhaft hält. Er ist der Star, wenn es um Stabilität geht - nicht um Komfort.
Kalkzementputz: Der Kompromiss, den die meisten Handwerker wählen
Was, wenn Sie nicht ganz auf Kalk verzichten wollen, aber auch keine Dusche mit weichem Putz verputzen möchten? Dann gibt es den Mittelweg: Kalkzementputz. Er besteht aus 1 Teil Zement, 2 Teilen Kalk und 9 Teilen Sand. Das ergibt eine Druckfestigkeit von 2,5-5,0 N/mm² - also deutlich fester als reiner Kalkputz, aber weicher als reiner Zementputz. Die Diffusionswiderstandszahl liegt bei 15-25, also halb so dicht wie reiner Zementputz. Das macht ihn ideal für Feuchträume wie Badezimmer und Küchen, wo man weder zu viel Feuchtigkeit noch zu viel Härte will.
68 % der Malerbetriebe in Deutschland verwenden Kalkzementputz als Standard in Feuchträumen. Nur 12 % setzen reinen Kalkputz ein, 20 % reinen Zementputz. Warum? Weil er den besten Kompromiss bietet: genug Atmungsaktivität für ein gesundes Raumklima, genug Festigkeit, um Fliesen oder Waschbecken zu tragen. Er ist auch einfacher zu verarbeiten als reiner Kalkputz - trocknet schneller, reißt weniger. Für viele Renovierer ist er der unsichtbare Held: nicht so bekannt wie Kalk, aber häufiger im Einsatz.
Preise, Trocknungszeit und Verarbeitung: Was Sie wirklich beachten müssen
Preise sind kein entscheidendes Kriterium - aber sie zeigen, warum Zementputz so verbreitet ist. Kalkputz kostet 8-10 €/m², Kalkzementputz 10-12 €/m², Zementputz 12-15 €/m². Der Unterschied ist klein. Aber die Arbeitszeit nicht. Kalkputz trocknet bei 15 mm Dicke bis zu 15 Tage. Zementputz ist nach 24 Stunden belastbar. Das bedeutet: Wenn Sie renovieren, müssen Sie länger ohne Wand warten. Und das ist kein kleiner Nachteil. Handwerker berichten, dass Kalkputz 30 % mehr Zeit für die Verarbeitung braucht und 25 % häufiger Nachbesserungen erfordert. Warum? Weil er zu schnell trocknet, wenn die Luft zu trocken ist. Dann reißt er. Oder er bleibt zu lange feucht, wenn die Luft zu feucht ist. Dann wird er weich und bricht.
Die richtige Verarbeitung ist entscheidend. Kalkputz braucht eine Kalkgrundierung, Temperaturen zwischen 8 und 25 °C und eine Luftfeuchtigkeit von max. 50 %. Zementputz kann bei 5 °C verarbeitet werden, braucht aber eine Haftbrücke auf saugfähigen Untergründen. Wer das nicht weiß, macht Fehler. Und diese Fehler sind teuer. 25 % aller Abplatzer bei Zementputz liegen an unzureichender Untergrundvorbereitung. Bei Kalkputz sind es Risse durch zu schnelles Trocknen.
Ökologie und Zukunft: Warum Kalkputz immer beliebter wird
Im Jahr 2023 hat Deutschland 1,8 Milliarden Euro in mineralische Putze investiert. Davon entfielen 25 % auf Kalkputz, 40 % auf Kalkzementputz und nur noch 15 % auf Zementputz. Der Trend ist klar: Kalkputz gewinnt. Warum? Weil die Bauvorschriften sich ändern. Die EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie (EPBD) schreibt ab 2025 eine bessere Feuchtigkeitsregulation in Wohngebäuden vor. Kalkputz ist der einzige Putz, der das ohne technische Geräte schafft.
Auch die Ökobilanz spricht für Kalkputz. Er emittiert 200 kg CO₂ pro Tonne. Zementputz emittiert 800 kg - viermal mehr. Der Grund: Zement wird bei 1500 °C gebrannt, Kalk nur bei 900 °C. Seit 2021 gibt es auch Celitement - ein neues Zementäquivalent, das bei 300 °C hergestellt wird und die CO₂-Bilanz um 70 % verbessert. Aber es ist noch teuer und nicht überall verfügbar. Kalkputz ist jetzt schon da, billig und klimafreundlich.
Der Marktanteil von Kalkputz ist in den letzten fünf Jahren um 35 % gestiegen. In Altbauten bevorzugen 82 % der Nutzer Kalkputz. In Neubauten wählen 76 % Zement- oder Kalkzementputz. Aber das ändert sich. Architekten und Bauherren, die auf Gesundheit achten, greifen immer öfter zu Kalk. Wer ein Haus baut, das atmet, wählt Kalk. Wer ein Haus baut, das hält, wählt Zement. Und wer beides will, wählt Kalkzementputz.
Was Sie jetzt tun sollten: Ein praktischer Leitfaden
- Wohnzimmer, Schlafzimmer, Kinderzimmer: Kalkputz. Er verbessert das Raumklima, reduziert Schimmel und macht die Luft angenehmer.
- Küche, Badezimmer, Waschküche: Kalkzementputz. Er hält Feuchtigkeit aus, ist robust genug für Fliesen und atmet trotzdem.
- Keller, Außenwände, Duschen, Schwimmbäder: Zementputz. Nur er hält dauerhaft, wenn Wasser von außen kommt.
- Altbau-Renovierung: Kalkputz. Er passt sich dem alten Mauerwerk an, verhindert Feuchtigkeitsschäden und erhält den historischen Charakter.
- Neubau mit hohen Anforderungen: Kalkzementputz oder Zementputz. Reiner Kalkputz ist bei modernen Konstruktionen mit großen Spannweiten oft nicht tragfähig.
Wenn Sie unsicher sind: Fragen Sie einen Handwerker, der Erfahrung mit beiden Putzarten hat. Und fragen Sie nicht nur nach dem Preis - fragen Sie, was er selbst in seinem Haus verwenden würde. Die meisten werden Ihnen sagen: Kalkputz im Schlafzimmer, Kalkzementputz im Bad, Zementputz im Keller. Das ist kein Zufall - das ist Erfahrung.