Was sind die gültigen Baulärmzeiten in Deutschland?
Wer in Deutschland baut, muss sich an klare Zeiten halten. Werktags, also von Montag bis Samstag, dürfen lärmintensive Arbeiten in Wohngebieten zwischen 7:00 und 20:00 Uhr durchgeführt werden. Das ist die bundesweite Grundregel, festgelegt im Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und der 32. BImSchV. Aber das ist nur der Anfang. Dazwischen gibt es noch zwei Ruhephasen, die oft übersehen werden: von 13:00 bis 15:00 Uhr und von 20:00 bis 7:00 Uhr. In diesen Zeiten ist der Betrieb vieler Geräte verboten - selbst wenn es noch hell ist.
Was genau verboten ist, steht in der 32. BImSchV: 57 Gerätearten sind explizit aufgelistet. Dazu gehören Rasenmäher, Laubbläser, Heckenscheren, tragbare Motorkettensägen, Bohrmaschinen, Druckluftgeräte und Bagger. Diese dürfen in Wohngebieten nicht zwischen 13 und 15 Uhr laufen - egal ob es ein Samstag oder ein Mittwoch ist. Und nach 20 Uhr? Dann ist Schluss. Selbst wenn der Bauarbeiter erst um 20:01 Uhr anfängt, kann das ein Bußgeld nach sich ziehen.
Was viele nicht wissen: Sonntags und an Feiertagen ist der Betrieb dieser Geräte ganztägig verboten. Kein Rasenmähen, kein Bohren, kein Sägen. Selbst wenn die Nachbarn es nicht hören - das Gesetz sagt Nein. Und das gilt für ganz Deutschland. Ausnahmen gibt es nur mit Genehmigung.
Wie unterscheiden sich die Lärmschutzregeln je nach Gebiet?
Nicht überall gilt das Gleiche. Die zulässigen Lärmwerte und Zeiten hängen vom Gebietstyp ab. In reinen Wohngebieten, wo fast nur Wohnungen stehen, sind die Regeln am strengsten. Tagsüber dürfen hier maximal 50 Dezibel (dB(A)) gemessen werden, nachts nur 35 dB(A). In allgemeinen Wohngebieten, wo auch kleine Geschäfte erlaubt sind, sind 55 dB(A) tagsüber erlaubt. In Gewerbegebieten sind bis zu 65 dB(A) erlaubt - aber auch dort gelten die Ruhezeiten.
Die Unterschiede sind entscheidend. Ein Bauunternehmen, das in einem Mischgebiet arbeitet, darf laut technischen Vorgaben mehr Lärm machen als in einem reinen Wohngebiet. Aber: Die kommunalen Satzungen können noch strenger sein. In Wien, wo ich lebe, gilt zum Beispiel in fast allen Wohnvierteln die strengste Kategorie - egal ob es ein kleiner Hof oder ein Mehrfamilienhaus ist. In München ist die Mittagsruhe von 12:30 bis 14:30 Uhr, in Hamburg von 13:00 bis 15:00 Uhr. Frankfurt hingegen hat keine gesetzliche Mittagsruhe - nur eine Empfehlung. Wer das nicht kennt, macht schnell einen Fehler.
Warum sind kommunale Satzungen so wichtig - und so schwer zu durchschauen?
Die Bundesgesetze geben den Rahmen. Aber die Stadt oder Gemeinde bestimmt, wie eng er ausgelegt wird. Das ist der große Fallstrick. In Baden-Baden, Wiesbaden oder Bad Kissingen, also in Kurorten, gelten oft 50 Prozent strengere Regeln als der Bund vorschreibt. Das bedeutet: In einem Ort mit 10.000 Einwohnern könnte die Mittagsruhe von 12:00 bis 16:00 Uhr gelten - und das ist legal. In anderen Städten ist sie gar nicht vorgesehen.
Ein Bauunternehmen mit 3,2 Mitarbeitern (Durchschnitt in Deutschland) hat nicht die Ressourcen, in jeder Kommune die Satzung zu prüfen. Viele versuchen es mit der Website der Stadt - aber die ist oft veraltet oder schwer zu finden. Andere verlassen sich auf den Bauhof - doch der gibt keine rechtliche Beratung, nur Hinweise. Die Folge: Im ersten Quartal 2023 wurden in Berlin allein 1.247 Beschwerden wegen Baulärms registriert. 68 Prozent davon betrafen die Nachtruhe, 22 Prozent die Mittagsruhe. Die meisten Bauherren wissen nicht, dass sie sich nicht auf die bundesweite Regel verlassen dürfen.
Wie viel kostet ein Verstoß? Bußgelder in 2025
Ein Verstoß kostet Geld - und zwar immer mehr. Im Jahr 2020 lag das durchschnittliche Bußgeld bei 420 Euro. 2022 war es schon 680 Euro. Die Tendenz ist klar: steigend. In Bayern, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg werden die meisten Kontrollen durchgeführt - und auch die meisten Strafen verhängt. Ein Fall aus Berlin: Eine Baufirma wurde 2023 mit 1.200 Euro bestraft, weil sie zwischen 13:00 und 15:00 Uhr mit einem Bohrhammer arbeitete. Der Bauherr argumentierte, die Sanierung sei dringend, um Schäden zu verhindern. Das zählte nicht. Das Gesetz kennt keine Ausnahmen ohne Genehmigung.
Ein anderes Beispiel: Ein Handwerker in München ließ einen Kompressor von 19:45 bis 20:15 Uhr laufen. Die Nachbarn meldeten es. Die Stadt reagierte mit einem Bußgeld von 850 Euro. Der Grund: Die Maschine war noch in Betrieb, als die Ruhezeit begann. Es spielt keine Rolle, ob jemand etwas gehört hat oder nicht. Es geht um die Uhrzeit - und die Maschine.
Die neuen Regeln ab 2024 machen es noch schwieriger. Die TA Lärm wurde geändert und senkt die zulässigen Lärmwerte in Wohngebieten um 3 dB(A). Das klingt wenig - aber es bedeutet, dass Baumaschinen früher abgeschaltet werden müssen. Berechnungen zeigen: Das reduziert die zulässige Arbeitszeit um durchschnittlich 1,7 Stunden pro Tag. Wer das nicht berücksichtigt, läuft Gefahr, nicht mehr rechtzeitig fertig zu werden - und trotzdem Strafen zu bekommen.
Wie bekommt man eine Ausnahmegenehmigung - und wann lohnt sie sich?
Es gibt einen Weg: die Ausnahmegenehmigung. Wer Sonntags arbeiten muss, weil ein Wasserrohr geplatzt ist oder ein Dach einsturzgefährdet ist, kann einen Antrag stellen. Die meisten Städte gewähren diese Genehmigungen - wenn sie begründet sind. In Düsseldorf wurden 2022 87,3 Prozent der Anträge positiv beschieden. Die Bearbeitungszeit lag bei durchschnittlich 5,2 Tagen.
Das heißt: Wer am Montag einen Antrag stellt, bekommt die Genehmigung spätestens am Freitag. Aber: Man muss sie vorher beantragen. Ein Antrag am Sonntagabend, um am Montag zu arbeiten, funktioniert nicht. Die Stadt braucht Zeit. Die Bayerische Landesanstalt für Umwelt empfiehlt: Mindestens 14 Tage vorher anmelden. Und: Informieren Sie die Nachbarn schriftlich - mindestens 7 Tage vorher. Das reduziert Beschwerden und zeigt, dass Sie fair handeln.
Ein Mieter aus Berlin berichtete im März 2023, dass er eine Genehmigung für Sonntagsarbeiten bekam, weil ein alter Kamin in seinem Haus ein Sicherheitsrisiko darstellte. Die Stadt erteilte die Genehmigung innerhalb von 72 Stunden - nachdem er die Begründung mit Fotos und einem Gutachten vorlegte. Es lohnt sich, die Dokumente sorgfältig vorzubereiten.
Wie vermeiden Sie Strafen - 5 praktische Tipps
- Prüfen Sie die kommunale Satzung - nicht nur die bundesweiten Regeln. Suchen Sie auf der Website der Stadt nach „Lärmschutzverordnung“ oder „Baulärm“. Oft finden Sie sie unter „Umwelt“ oder „Ordnungsamt“.
- Planen Sie die Arbeitszeiten im Kalender - mit Ruhezeiten. Markieren Sie 7-9 Uhr, 13-15 Uhr und 20-7 Uhr als „keine lauten Arbeiten“. Nutzen Sie Apps wie „Baulärm-Planer“ oder „Ruhezeiten Deutschland“ - die zeigen die lokalen Regeln an.
- Informieren Sie Ihre Nachbarn - schriftlich, mindestens 7 Tage vorher. Ein einfaches Schreiben mit Datum, Uhrzeit und Art der Arbeiten reicht. Das verhindert Beschwerden - und zeigt Respekt.
- Verwenden Sie leisere Geräte - Elektrowerkzeuge sind oft deutlich leiser als Benzinmodelle. Ein Elektrobohrhammer erzeugt bis zu 10 dB(A) weniger Lärm als ein Benzinbohrer. Das macht den Unterschied, besonders in dicht besiedelten Gebieten.
- Beauftragen Sie einen Lärmschutzbeauftragten - wenn Sie mehr als 10 Mitarbeiter haben. Laut Handwerkskammer Frankfurt reduziert das Bußgelder um durchschnittlich 42 Prozent. Die Kosten für die Zertifizierung (ca. 1.500 Euro) lohnen sich schnell.
Was kommt 2025 auf uns zu?
Ab 2025 soll eine neue Regelung in Kraft treten: Jede Baumaßnahme muss vor Beginn mit einem Lärmmessgerät überprüft werden. Die Messung kostet durchschnittlich 450 Euro pro Projekt. Das ist eine neue Belastung - besonders für kleine Handwerker. Die Bauwirtschaft warnt: Die Kosten für ein Einfamilienhaus könnten um 14.700 Euro steigen. Die Regierung hofft darauf, dass die Baulärmbeschwerden bis 2027 um 35 Prozent sinken.
Die Entwicklung ist klar: Der Lärmschutz wird strenger, die Kontrollen intensiver, die Strafen höher. Wer jetzt nicht aufpasst, wird in zwei Jahren mit einem Bußgeld konfrontiert, das er nicht mehr versteht - weil er die Regeln nicht mehr kennt. Die Lösung liegt nicht im Warten, sondern im Handeln: Informieren, planen, kommunizieren - und sich an die lokale Satzung halten, nicht an das, was man „mal so gehört hat“.
Stephan Viaene
November 24, 2025 AT 20:12Interessant, aber hat jemand mal checkt, ob die App 'Ruhezeiten Deutschland' auch die neuesten Kommunalvorschriften hat? Die ist bei mir letzte Woche auf 12:30–14:30 in Köln eingestellt, obwohl die Stadt das seit März geändert hat.
Angela Westbrook
November 24, 2025 AT 20:45Das mit den 3 dB(A)-Absenkungen ist ein Mythos. Die TA Lärm wurde nicht geändert, nur die Interpretation der Messmethoden. Wer das so schreibt, versteht nichts von Schallpegelmessung. Und bitte: 'dB(A)' mit Klammer, nicht 'dB A'.