Erhaltungssatzung und Milieuschutz: Wie sie Ihre Immobilienprojekte beeinflussen

Wenn Sie in Deutschland eine Wohnung sanieren, umbauen oder in Eigentumswohnungen umwandeln wollen, könnte eine Erhaltungssatzung Ihr Projekt komplett blockieren - ohne dass Sie es kommen sehen. Viele Eigentümer glauben, sie hätten freie Hand mit ihrem Eigentum. Doch in vielen Stadtteilen gilt: Was Sie als Modernisierung sehen, ist für die Stadt ein Eingriff in die soziale Struktur. Und dafür brauchen Sie eine Genehmigung. Oder Sie riskieren einen Rückbau, hohe Strafen oder sogar einen Verlust der Mieterträge.

Was ist eine Erhaltungssatzung wirklich?

Eine Erhaltungssatzung ist kein bloßes Ästhetikgesetz. Sie ist ein rechtliches Werkzeug nach § 172 BauGB, das Kommunen nutzen, um den sozialen Zusammenhalt in Wohnvierteln zu schützen. Es geht nicht darum, alte Fassaden zu erhalten - sondern darum, dass Menschen mit niedrigem Einkommen nicht aus ihren Wohnungen verdrängt werden. In München, Berlin, Hamburg und vielen anderen Städten sind ganze Stadtteile unter Schutz gestellt. Dort dürfen Sie nicht einfach zwei Wohnungen zusammenlegen, einen Aufzug einbauen oder die Wohnung komplett umgestalten, wenn das die Miete nach oben treibt.

Die Satzung legt fest: Was genehmigungspflichtig ist. Und das ist oft mehr, als Sie denken. Ein neuer Fußboden mit Fußbodenheizung? Genehmigung nötig. Ein moderner Badezimmerschrank? Eventuell auch. Der Schlüssel liegt in der Mietpreiswirkung: Wenn die Miete nach der Sanierung um mehr als 15 % steigt, gilt das als genehmigungspflichtige „hochwertige Modernisierung“ - so entschied das Verwaltungsgericht Berlin im Februar 2023.

Warum gibt es das überhaupt?

Seit 2009, als München die erste Milieuschutzsatzung für den Jakobsplatz einführte, hat sich das Instrument verbreitet. Der Grund? Gentrifizierung. In vielen Vierteln, die früher von Arbeitern, Rentnern und Familien bewohnt wurden, ziehen immer mehr gutverdienende Neubürger ein. Die Mieten steigen. Die alten Mieter können nicht mehr zahlen. Die Nachbarschaft verändert sich - und mit ihr die Kultur.

Die Stadt will das verhindern. Sie will, dass ein Viertel wie Prenzlauer Berg in Berlin oder das Gascogneviertel in Freiburg nicht zu einer Szene für Start-ups und Kaffeebars wird, sondern bleibt, was es ist: ein gemischtes, lebendiges Wohngebiet. Das Bundesverwaltungsgericht hat das 2010 bestätigt: Milieuschutz ist rechtlich zulässig, wenn er auf konkreten städtebaulichen Zielen beruht.

Das ist kein Theoriegebäude. In München leben in den 36 Schutzgebieten rund 350.600 Menschen. 2022 wurde die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in diesen Gebieten von 12,3 % auf 4,7 % gesenkt. In nicht geschützten Gebieten stieg sie dagegen auf 14,2 %. Das ist kein Zufall - das ist Wirkung.

Was dürfen Sie nicht tun?

Wenn Ihr Haus in einem Erhaltungssatzungsgebiet liegt, müssen Sie aufpassen. Hier sind die häufigsten genehmigungspflichtigen Maßnahmen:

  • Zusammenlegung von zwei oder mehr Wohnungen zu einer größeren Einheit
  • Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen (WEG)
  • Abriss von Gebäuden oder Teilen davon
  • Hochwertige Modernisierungen: Fußbodenheizung, hochwertige Fenster, neue Sanitäranlagen, Einbau von Aufzügen - wenn die Miete dadurch um mehr als 15 % steigt
  • Änderung der Grundrissstruktur, die die Wohnungsgröße oder -anzahl verändert

Was nicht genehmigungspflichtig ist? Einfache Instandhaltung: Dach reparieren, Heizung austauschen, Fassade streichen - solange die Miete nicht signifikant steigt. Aber: Wenn Sie die Heizung modernisieren und gleichzeitig die Fenster tauschen, könnte das als „hochwertige Modernisierung“ gelten. Die Grenzen sind fließend.

Waage mit luxuriösem Badezimmer auf der einen und einer Familie auf der anderen Seite, Symbol für soziale Gerechtigkeit.

Wie lange dauert die Genehmigung?

Die Wartezeit ist kein Nebeneffekt - sie ist Teil der Strategie. In Berlin dauert es im Durchschnitt 180 Tage, bis eine Genehmigung erteilt wird. In Hamburg, wo das Verfahren digitalisiert ist, sind es 90 Tage. In München und Freiburg liegt die Bearbeitungszeit oft zwischen 120 und 150 Tagen.

Ein Eigentümer aus Prenzlauer Berg berichtete auf Immobilienscout24: „Mein Antrag auf Zusammenlegung dauerte 9 Monate - nicht 3, wie versprochen.“ Andere berichten von Kosten von über 5.000 Euro für Architekten und Gutachter, nur um einen Antrag zu stellen. 68 % der Eigentümer in Berlin klagen über „erhöhten administrativen Aufwand“. Das ist kein Problem der Behörden - das ist das Design der Satzung. Sie soll abschrecken.

Und dann gibt es noch das Vorkaufsrecht. In München kann die Stadt jedes Grundstück in einem Erhaltungssatzungsgebiet vor Ihnen kaufen - wenn Sie es verkaufen wollen. Das ist kein theoretisches Szenario. Es passiert regelmäßig. Die Stadt nutzt das, um den Verkauf an Investoren zu verhindern, die nur auf Gewinn aus sind.

Was passiert, wenn Sie ohne Genehmigung bauen?

Das ist der größte Fehler, den Eigentümer machen. Sie denken: „Ich baue erst, frage später.“ Oder: „Das ist doch nur eine kleine Änderung.“

Dann kommt die Kontrolle. Die Stadt prüft die Mietpreise, die Baupläne, die Mieterliste. Wenn sie feststellt, dass Sie ohne Genehmigung eine Wohnung zusammengelegt haben, müssen Sie:

  • Die Wohnung wieder in den Originalzustand zurückversetzen - auf eigene Kosten
  • Strafen zahlen - bis zu 50.000 Euro
  • Die Miete senken, weil die Modernisierung rechtswidrig war
  • Die Wohnung nicht mehr vermieten, bis alles genehmigt ist

Rechtsanwalt Dr. Markus Puls aus Berlin sagt es klar: „Viele Eigentümer unterschätzen die Genehmigungsvorbehalte und riskieren teure Nachbesserungen oder sogar Rückbauten.“

Wo gibt es Milieuschutz - und wo nicht?

Bis 2023 haben 47 der 82 deutschen Städte mit über 100.000 Einwohnern Erhaltungssatzungen erlassen. Das sind 186 Schutzgebiete. Die meisten liegen in Berlin, München, Hamburg, Köln und Frankfurt.

Freiburg hat bislang keine Milieuschutzsatzung - aber das könnte sich ändern. Die Stadt prüft aktuell Gebiete wie die Innenstadt und das Lorettoviertel. Wenn Sie in Freiburg eine Immobilie kaufen, fragen Sie: „Ist das Gebiet in der Karte der Stadt als Erhaltungssatzungsgebiet markiert?“ Die interaktive Karte der Landeshauptstadt München ist ein gutes Beispiel: Sie zeigt genau, wo die Regeln gelten.

Was ist der Unterschied zu Sanierungsgebieten? In Sanierungsgebieten (§ 142 BauGB) geht es um marode Bausubstanz. Da darf die Stadt sogar Zwangsverkäufe veranlassen. Milieuschutz ist präventiv. Er greift, bevor die Häuser kaputt sind - sondern wenn die Menschen verschwinden.

Einfach renovierte Wohnung mit genehmigtem Fenstertausch und handschriftlicher Genehmigungsnachricht an der Kühlschranktür.

Wie können Sie als Eigentümer umgehen?

Sie können nicht einfach die Satzung ignorieren. Aber Sie können sie nutzen.

  • Prüfen Sie zuerst: Geht Ihr Grundstück in ein Erhaltungssatzungsgebiet? Die Kommunen veröffentlichen die Karten online. In Berlin finden Sie sie auf den Seiten der Bezirksämter. In München auf stadt.muenchen.de.
  • Sprechen Sie vorher mit der Stadt: Viele Kommunen haben ein „Milieuschutz-Telefon“. In Reinickendorf (Berlin) bearbeitet es 85 Anfragen pro Woche. Fragen Sie: „Ist mein Vorhaben genehmigungspflichtig?“
  • Nutzen Sie Fördermittel: In Freiburg berichtet ein Eigentümer, dass die Behörde ihm sogar bei der Suche nach Fördermitteln für energetische Sanierung half - weil das mit dem Milieuschutz vereinbar ist.
  • Planen Sie Zeit ein: Rechnen Sie mit mindestens 4-6 Monaten Wartezeit. Nicht 3 Wochen. Nicht 2 Monate. 4-6 Monate.
  • Vermeiden Sie „hochwertige“ Modernisierungen: Ein einfacher Fenstertausch ist OK. Ein neuer Fußboden mit Heizung? Fraglich. Ein neuer Küchenblock mit Edelstahl? Wahrscheinlich genehmigungspflichtig.

Was sagt die Zukunft?

2022 wurde das BauGB geändert - und die Handlungsmöglichkeiten der Städte wurden erweitert. Bis 2025 wird die Zahl der Milieuschutzgebiete laut Institut der deutschen Wirtschaft um 35 % steigen. Berlin plant vier neue Gebiete. Frankfurt und Stuttgart überlegen, nachzuziehen.

Prof. Dr. Jörg Knieling von der HafenCity Universität Hamburg warnt: „Zu viele Schutzgebiete hemmen die städtische Entwicklung.“ Aber Prof. Dr. Annette Freyberg-Inan von der Universität Köln sagt: „Milieuschutz ist ein wesentlicher Baustein sozialer Stadtentwicklung.“

Die Wahrheit liegt dazwischen. Milieuschutz schützt Mieter - aber er erschwert Sanierungen. Er verhindert Verdrängung - aber er kann auch den Wohnungsbau bremsen. Die Frage ist nicht: „Ist er gut oder schlecht?“ Sondern: „Passt er zu meinem Projekt?“

Wenn Sie ein altes Haus in einem Viertel mit niedrigen Mieten kaufen und sanieren wollen - dann prüfen Sie zuerst, ob es unter Schutz steht. Denn wenn Sie das nicht tun, riskieren Sie nicht nur Geld. Sie riskieren Ihr ganzes Projekt.

Wie Sie Ihre nächste Sanierung planen

1. Gehen Sie auf die Website Ihrer Stadt. Suchen Sie nach „Erhaltungssatzung“ oder „Milieuschutz“. 2. Öffnen Sie die interaktive Karte. Geben Sie Ihre Adresse ein. 3. Wenn Ihr Grundstück im Schutzgebiet liegt: Kontaktieren Sie das zuständige Amt. Fragen Sie: „Welche Maßnahmen benötigen eine Genehmigung?“ 4. Machen Sie eine detaillierte Planung - nicht nur für die Baumaßnahme, sondern für die Genehmigungszeit. 5. Rechnen Sie mit höheren Kosten: Architekt, Gutachter, Verzögerung, eventuell Rückbau. 6. Nutzen Sie Förderprogramme. In vielen Fällen unterstützt die Stadt energetische Sanierungen - besonders wenn sie sozial verträglich sind. 7. Verzichten Sie auf „Luxusmodernisierungen“. Ein warmes Haus ist gut. Ein Badezimmer mit Marmor ist riskant.

Die Erhaltungssatzung ist kein Feind. Sie ist ein Filter. Sie sorgt dafür, dass Sanierungen nicht nur für Investoren, sondern auch für die Menschen in den Vierteln sinnvoll sind. Wer das versteht, kann damit arbeiten. Wer es ignoriert, verliert.

Ist eine Erhaltungssatzung das Gleiche wie ein Sanierungsgebiet?

Nein. Ein Sanierungsgebiet (§ 142 BauGB) richtet sich gegen marode Bausubstanz. Hier kann die Stadt sogar Zwangsverkäufe durchführen, um Gebäude zu sanieren. Eine Erhaltungssatzung (Milieuschutz) schützt die soziale Struktur - also die Mischung aus Mietern mit unterschiedlichen Einkommen. Sie greift, bevor das Haus kaputt ist, sondern wenn die Menschen verdrängt werden.

Kann ich trotz Milieuschutz eine Wohnung umbauen?

Ja - aber nur mit Genehmigung. Einfache Instandhaltungen wie Dachreparatur oder Heizungsaustausch sind meist erlaubt. Aber wenn Sie Wohnungen zusammenlegen, einen Aufzug einbauen oder die Miete um mehr als 15 % erhöhen, brauchen Sie eine Genehmigung. Die Stadt prüft, ob die Maßnahme die soziale Struktur gefährdet.

Was passiert, wenn ich ohne Genehmigung sanieren lasse?

Die Stadt kann Sie zwingen, die Änderung rückgängig zu machen - auf Ihre Kosten. Sie droht mit Geldstrafen von bis zu 50.000 Euro. Außerdem dürfen Sie die Wohnung nicht mehr vermieten, bis alles genehmigt ist. In manchen Fällen sinkt die Miete sogar, weil die Modernisierung rechtswidrig war.

Gibt es Fördermittel für Sanierungen in Milieuschutzgebieten?

Ja - oft sogar mehr als außerhalb. Viele Städte fördern energetische Sanierungen, wenn sie sozial verträglich sind. In Freiburg half eine Behörde einem Eigentümer sogar, Fördermittel zu finden. Fragen Sie beim Amt nach: „Welche Förderprogramme gelten für mein Projekt?“

Wie finde ich heraus, ob mein Grundstück in einem Schutzgebiet liegt?

Geht auf die Website Ihrer Stadt. Sucht nach „Erhaltungssatzung“ oder „Milieuschutz“. Die meisten Städte haben eine interaktive Karte, in der Sie Ihre Adresse eingeben können. In München ist das stadt.muenchen.de. In Berlin die Seiten der Bezirksämter. Wenn Sie unsicher sind, rufen Sie beim Bauamt an - das ist kostenlos.

Warum wird Milieuschutz immer häufiger?

Weil die Mieten in Großstädten steigen und viele Viertel verdrängt werden. Die Stadt will verhindern, dass nur noch wohlhabende Menschen dort wohnen können. Seit 2022 hat das Bundesgesetz die Handlungsmöglichkeiten der Kommunen erweitert. Bis 2025 sollen 35 % mehr Gebiete unter Schutz stehen.