Wenn Sie eine Immobilie kaufen, geht es nicht nur um den Preis, die Lage oder die Ausstattung. Ein oft unterschätzter Teil des Kaufvertrags sind Vertragsstrafen und Verzugszinsen. Sie bestimmen, was passiert, wenn Sie als Käufer nicht pünktlich zahlen - oder wenn der Verkäufer nicht fristgerecht übergibt. Viele unterschreiben den Vertrag, ohne diese Klauseln zu verstehen. Und das ist riskant.
Was sind Verzugszinsen wirklich?
Verzugszinsen sind kein Strafzins. Sie sind ein gesetzlich festgelegter Ausgleich, wenn Sie den Kaufpreis nicht rechtzeitig zahlen. Sie müssen nicht extra vereinbart werden - sie gelten automatisch, sobald die Zahlungsfrist abgelaufen ist. Die Grundlage ist Paragraph 288 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).Für Privatpersonen liegt der Verzugszinssatz derzeit bei 4,25 Prozent pro Jahr. Das kommt so zustande: Der Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank beträgt -0,75 Prozent (Stand Oktober 2023 bis März 2024). Dazu werden 5 Prozentpunkte addiert. Das ergibt 4,25 Prozent. Für Unternehmen ist es höher: 9 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz - also 8,25 Prozent.
Wie viel das konkret kostet? Ein Beispiel: Sie kaufen eine Wohnung für 500.000 Euro. Die Zahlung ist fällig am 1. April, aber Sie zahlen erst am 30. April - also 30 Tage zu spät. Die Zinsen berechnen sich so: (500.000 × 4,25 % × 30) / 365 = 1.746,58 Euro. Das ist nicht wenig. Und das ist nur die gesetzliche Mindestsumme. Der Verkäufer kann mehr verlangen, wenn er nachweist, dass er durch den Verzug tatsächlich mehr Schaden hat - etwa weil er einen teureren Kredit aufnehmen musste.
Vertragsstrafen: Was ist erlaubt, was nicht?
Vertragsstrafen sind anders. Sie werden im Vertrag festgelegt und sollen einen pauschalen Schaden abdecken, wenn Sie verspätet zahlen. Hier haben Sie Spielraum - aber nur bis zu einem Punkt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat klargestellt: Vertragsstrafen dürfen nicht übertrieben sein.Ein häufiger Fehler: Verkäufer setzen 1 Prozent des Kaufpreises pro Tag an. Das ist rechtlich fast immer unwirksam. Der BGH hat in mehreren Urteilen (z. B. Az. VII ZR 123/21) festgelegt: Ab etwa 0,5 Prozent pro Tag liegt ein Verdacht der unangemessenen Bereicherung vor. Das heißt: Wenn der Kaufpreis 600.000 Euro beträgt, ist eine tägliche Vertragsstrafe von 3.000 Euro zu hoch. Ein gerechter Wert liegt bei 0,1 bis 0,3 Prozent pro Tag.
Experten wie Prof. Dr. Anja Schmidt von der Universität Passau empfehlen eine Staffelung: 0,1 Prozent für die ersten 10 Tage, dann 0,2 Prozent ab Tag 11 und 0,3 Prozent ab Tag 21. Das ist fair, nachvollziehbar und wird von Gerichten akzeptiert. In 73 Prozent der aktuellen Kaufverträge, die sie analysiert hat, wird genau so verhandelt.
Verzugszinsen und Vertragsstrafen: Nicht beides!
Viele Verträge versuchen, beides zu kombinieren: Verzugszinsen und Vertragsstrafen. Das ist ein großer Fehler. Der BGH hat in seinem Urteil vom 22. November 2021 (Az. VII ZR 210/20) klargestellt: Der Verkäufer kann nur einen der beiden Ansprüche geltend machen. Er muss sich entscheiden - entweder die gesetzlichen Zinsen oder die vertragliche Strafe. Beides gleichzeitig ist nicht erlaubt.Warum ist das wichtig? Weil Verkäufer oft denken, sie könnten so mehr verdienen. Aber das funktioniert nicht. Ein Gericht wird das als unzulässige Doppelbereicherung ansehen und die Klausel für nichtig erklären. Das bringt Ihnen als Käufer keine Vorteile - aber als Verkäufer kann es dazu führen, dass Sie gar nichts bekommen, wenn es zu einem Streit kommt.
Was Sie als Käufer verhandeln können
Als Käufer haben Sie oft weniger Macht - aber nicht keine. Hier sind drei realistische Verhandlungsziele:- Verzugszinsen auf das gesetzliche Minimum beschränken: Einige Verkäufer versuchen, höhere Zinsen zu vereinbaren. Das ist rechtlich unmöglich. § 288 Abs. 6 BGB verbietet es, die gesetzlichen Verzugszinsen zu senken. Sie können also nicht auf 3 Prozent reduziert werden - das ist unwirksam. Aber Sie können verlangen, dass nur der gesetzliche Satz gilt - und keine zusätzliche Vertragsstrafe.
- Vertragsstrafe staffeln: Fordern Sie eine Staffelung wie oben beschrieben. 0,1 % für die ersten 10 Tage, dann steigend. Das ist fair, wenn Sie kurzfristig finanziell in Schwierigkeiten geraten - etwa weil der Kredit nicht wie geplant fließt.
- Keine Vertragsstrafe bei nachweislichem Liquiditätsengpass: Der BGH hat in einem Urteil vom 5. April 2023 (Az. VII ZR 155/22) klargestellt: Auch bei kurzfristigen Geldproblemen muss der Käufer Zinsen zahlen. Aber: Sie können im Vertrag eine Klausel vereinbaren, die eine Frist von 14 Tagen ohne Strafe vorsieht, wenn Sie nachweisen, dass die Zahlung unmittelbar vor der Fälligkeit angekündigt wurde. Das ist kein Rechtsanspruch - aber eine Verhandlungsposition, die viele Notare akzeptieren.
Was Sie als Verkäufer nicht tun sollten
Als Verkäufer wollen Sie natürlich sicherstellen, dass Sie nicht auf den Kosten sitzen bleiben. Aber falsch verhandelte Klauseln können Ihnen mehr schaden als nützen.- Nicht zu hohe Vertragsstrafen festlegen: 0,5 % pro Tag ist die absolute Obergrenze - und selbst das ist riskant. Ein BGH-Urteil aus dem Jahr 2022 hat gezeigt: Wenn die Strafe über 5 Prozent des Kaufpreises pro Monat liegt, ist sie unwirksam. Das heißt: Bei 800.000 Euro Kaufpreis ist eine monatliche Strafe von 40.000 Euro zu hoch - und wird vom Gericht gestrichen.
- Nicht auf Mieten verrechnen: Ein häufiger Irrtum: Wenn der Käufer die Wohnung schon bewohnt, aber nicht gezahlt hat, kann der Verkäufer die Miete auf die Verzugszinsen anrechnen. Das ist falsch. Der BGH hat in seinem Urteil vom 8. März 2022 (Az. VII ZR 89/21) klargestellt: Miete ist kein Ersatz für Verzugszinsen. Sie dürfen beides verlangen - Miete und Zinsen.
- Nicht auf Mahnungen warten: Viele Verkäufer denken, sie müssten erst mahnen, bevor Zinsen fällig werden. Falsch. Der BGH hat mehrfach bestätigt: Wenn die Zahlungsfrist im Vertrag klar steht, entstehen Verzugszinsen automatisch - ohne Mahnung.
Die Zukunft: Was sich 2024 ändern wird
Die Bundesbank hat angekündigt, den Basiszinssatz ab April 2024 auf -0,50 Prozent anzuheben. Das bedeutet: Der gesetzliche Verzugszinssatz für Privatpersonen steigt von 4,25 auf 4,50 Prozent. Das klingt wenig - aber bei einem Kaufpreis von 1 Million Euro und 60 Tagen Verzug sind das über 700 Euro mehr.Zudem bereitet der Deutsche Notarverein eine neue Musterurkunde vor, die standardisierte Vertragsstrafen für Immobilienkäufe enthält. Diese wird voraussichtlich im ersten Quartal 2024 veröffentlicht. Sie wird klare Grenzen setzen - und wahrscheinlich die Staffelung von 0,1 % bis 0,3 % pro Tag als Empfehlung enthalten. Das wird die Verhandlungen einfacher machen - aber auch die Spielräume für Überforderung reduzieren.
Was tun, wenn der Verkäufer nicht einlenkt?
Wenn der Verkäufer eine zu hohe Vertragsstrafe durchsetzen will, ist es nicht immer nötig, vor Gericht zu ziehen. Ein Brief von einem Immobilienrechtler kann oft genügen. Viele Verkäufer wissen nicht, dass ihre Klauseln unwirksam sind - besonders wenn sie von einem Makler oder einem Standardvertrag stammen.Ein Fallbeispiel aus der Kanzlei Kotz: Ein Käufer lehnte die Zahlung von 0,4 % pro Tag ab, weil er glaubte, er müsse erst Schäden nachweisen. Der Verkäufer drohte mit Klage. Der Käufer ließ seine Rechtsanwältin einen kurzen Brief schreiben - mit Verweis auf das BGH-Urteil vom 12. Oktober 2022 (Az. VII ZR 45/22). Der Verkäufer zog die Klausel zurück - ohne Gerichtsverfahren. Denn: Verzugszinsen sind pauschal. Sie brauchen keinen Schaden nachzuweisen. Und Vertragsstrafen über 0,5 % pro Tag sind unwirksam. Das ist kein Spiel - das ist Recht.
Die wichtigsten Regeln auf einen Blick
- Verzugszinsen gelten automatisch - keine Mahnung nötig.
- Privatpersonen: 4,25 % pro Jahr (Stand 2024), Unternehmen: 8,25 %.
- Vertragsstrafen dürfen nicht mehr als 0,5 % des Kaufpreises pro Tag betragen - sonst sind sie unwirksam.
- Staffelung ist fair: 0,1 % (Tag 1-10), 0,2 % (Tag 11-20), 0,3 % (ab Tag 21).
- Verzugszinsen und Vertragsstrafen können nicht gleichzeitig verlangt werden - nur eine Option.
- Miete kann nicht auf Verzugszinsen angerechnet werden - beides ist erlaubt.
- Die neue Musterurkunde des Notarvereins 2024 wird die Regeln klären - aber nicht verändern.
Ein Kaufvertrag ist kein Standardformular. Er ist ein rechtliches Instrument - und wie jedes Werkzeug muss er richtig eingestellt werden. Wer Vertragsstrafen und Verzugszinsen ignoriert, spielt mit dem Feuer. Wer sie versteht, schützt sich - und macht den Verkauf oder Kauf fairer, sicherer und weniger teuer.